Beschreibung
1962 brachte die erste Moskauer Uhrenfabrik das Kaliber “Orbita”, später als “Poljot 2415” bezeichnet auf den Markt. Es war mit einer Bauhöhe von nur 3,9mm das seinerzeit flachste Automatikwerk mit Rotor, und zeichnete sich durch eine konstruktive Besonderheiten aus, die allerdings so aufwändig waren, dass die Produktion schon 1971 wieder endete, vermutlich, weil es schlichtweg zu teuer war.
Auch wenn das Werk nominell einen Durchmesser von 24mm hatte, so war das in der Praxis bedeutungslos, denn der Rotor stand dem Werk weit über, und es machte daher nur Sinn, es mitsamt dem breiten Werkhaltering zu verbauen, was der ganzen Konstruktion einen Durchmesser von etwas mehr als 30mm verpaßte.
Lagersteine, wohin man schaut, das ist das, was sofort ins Auge fällt, wenn man sich die Grundplatine ansieht. Die Verarbeitung der Platine selber ist eher roh, was aber technisch keine Auswirkungen hat.
Um möglichst flach zu bauen, und gleichzeitig eine große Unruh und Federhaus zu ermöglichen, ist es nötig, auf ein zentrales Minutenrad zu verzichten, und das Zeigerwerk zifferblattseitig anzutreiben.
Hierfür folgt auf das Federhaus erstmal ein Übertragungsrad, in das dann das Großbodenrad eingreift, dessen Trieb zifferblattseitig das Zeigerwerk antreibt. Mehr dazu später.
Übertragungsrad und Zentralsekundentrieb sind unter einer eigenen Brücke gelagert, auf dessen Oberseite sich das Achsenlager für den Automatikaufzug befindet.
Auf das Großbodenrad folgen ein doppelt ausgeführtes Kleinbodenrad, Sekundenrad und Ankerrad.
Das doppelt ausgeführte Kleinbodenrad treibt das Zentralsekundentrieb an und verhindert gleichzeitig ohne Nutzung einer bremsenden Feder ein Flattern oder Springen der Zentralsekunde.
Äußerst ungewöhnlich ist die Ausführung des Palettenankers: Bei ihm liegen die Paletten und die Gabel in unterschiedlichen Höhen.
Als Unruh kommt eine zweischenklige, goldfarbige Schraubenunruh zum Einsatz, wahrscheinlich aus Glucydur. Sie arbeitet mit langsamen 18000 Halbschwingungen pro Stunde, ist in zwei russischen, dreiarmigen Stoßsicherungen gelagert, und die effektive Länge der Unruhspirale wird mit Hilfe eines kurzen Rückerzeigers (oder einfacher, direkt am Spiralschlüssel) justiert.
Das Sperrrad des Aufzugs ist doppelt ausgeführt, mit einer eingebauten Kupplung, so dass bei Handaufzug das Automatikgetriebe ausgekuppelt wird.
Das Gesperr selber befindet sich in einer Vertiefung der Federhausbrücke.
Man sieht am immensen Abrieb und am ausgelaufenen Lager, welche Kräfte hier herrschen, hier wäre sicherlich ein Rubinlager besser gewesen.
Das gesamte Räderwerk des Automatikaufzugs ist ebenfalls auf der Grundplatine montiert. Erst dadurch ist die sehr geringe Bauhöhe von nur 3,9mm des Kalibers Poljot 2415 (Orbita) möglich.
Für den Automatikaufzug wurde viel Aufwand getrieben, der Rotor mit seinem eingebauten Wippenwechsler wirkt entweder auf das erstes Wechselrad ein, oder auf das mit von ihm angetriebene erste Reduktionsrad. Darauf folgt ein zweites Reduktionsrad und ein Übertragungsrad, welches schließĺich auf das untere des doppelt ausgeführten Sperrrads einwirkt.
Auf das erste Reduktionsrad wirkt eine Sperrklinke ein, um sicherzustellen, dass egal in welcher Richtung sich der Rotor dreht, das Werk stets nur in einer Richtung aufgezogen wird.
Schön zu erkennen ist, wie sich alle Räderwerke auf derselben Höhe befinden.
Im Inneren des achsengelagerten Rotors befinden sich zwei Wechselräder auf einer Wippe.
Wie zu Beginn ausgeführt, erfolgt der Antrieb des Zeigerwerks zifferblattseitig, und zwar über das Trieb des Großbodenrads, welches relativ nah am Zentrum bei 4 Uhr sichtbar ist.
Dieses Trieb ist mit einer Rutschkupplung versehen und ist gleichzeitig über ein Wechselrad mit dem Zeigerstellrad verbunden.
Natürlich nutzt das Poljot 2415 einen Kupplungsaufzug. Die Winkelhebelfeder ist, wie oft bei russischen Werken, sehr stabil ausgeführt.
Eine Besonderheit liegt beim Lager des Wechselrads vor, hier sorgt eine lange Blattfeder (beginnend auf 5 Uhr) dafür, dass es nicht flattert, und somit Stunden, und Minutenrad, die ja beide gleichzeitig und indirekt ohne Kraftschluss vom Großbodenrad angetrieben werden, nicht ruckeln oder springen.
Bei 8 Uhr ist die zifferblattseitige Stoßsicherung der Unruh zu sehen, und daneben die beiden Aussparungen, mit denen der Palettenanker geölt werden kann.
Im Labor
Zeitwaagen-Ergebnis
Das Werk ist, wie gesagt, in bescheidenem technischen und auch optischem Zustand, daher performt es auch deutlich unter seinen Möglichkeiten auf der Zeitwaage.horizontale Lagen | |||
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Zifferblatt oben | +13 s/Tag | 216° | 4.0ms |
Zifferblatt unten | +6 s/Tag | 225° | 4.0ms |
vertikale Lagen | |||
Krone rechts (12 oben) | +110 s/Tag | 163° | 5.6ms |
Krone oben (3 oben) | -20 s/Tag | 167° | 5.1ms |
Krone links (6 oben) | +20 s/Tag | 172° | 5.4ms |
Krone unten (9 oben) | -60 s/Tag | 178° | 5.3ms |
Technische Daten
Hersteller: | Poljot |
Kaliber: | 2415 (Orbita) |
Basiskaliber: | Poljot 2415 |
Größe: | 10 1/2''' (gemessen: 24,0mm) |
Höhe: | 3,9mm |
Halbschwingungen pro Stunde: | 18000 |
Anzahl Steine: | 29 |
Hemmung: | Anker |
Unruh-Ausführungen: |
Glucydur-Schraubenunruh (zweischenklig) |
Stoßsicherung(en): |
3-schenklig russisch |
Unruhlagerung / Richtung Spirale: | Uhrzeigersinn |
beweglicher Spiralklötzchenträger: | nein |
Regulierorgan: | Rückerzeiger mit kurzem Arm |
Werksaufbau: |
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Bauweise: | Massivbau |
Aufzugstyp: | Kupplungsaufzug |
Winkelhebelfeder: | 5 Loch/Löcher |
Befestigung Winkelhebel: | gesteckt |
Ausstattung: |
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Referenzen: |
Flume: K3 169 |
Produktionszeitraum: | 1962-1971 |
Inventarnummer: | 23080 |